Das Thema Achtsamkeit begegnet uns zurzeit gefühlt jeden Tag. Die Achtsamkeitspraxis scheint geradezu Trend zu sein, der in aller Munde ist. Aber was genau ist das eigentlich? Und was hat Achtsamkeit im Business-Kontext zu suchen?
Was ist Achtsamkeit?
Achtsamkeit bedeutet so viel wie ganz und gar im jetzigen Moment zu sein und diesen bewusst wahrzunehmen und zu erleben. Es geht zum Beispiel darum, sich mit all seinen Sinnen und seiner ungeteilten Aufmerksamkeit auf die Sache zu konzentrieren, mit der man gerade beschäftigt ist. Kein Abschweifen der Gedanken zu Dingen, die in der Vergangenheit geschehen sind oder die noch in der Zukunft liegen.
Achtsam im Hier und Jetzt zu sein bedeutet auch, sich seiner eigenen Gedanken, Gefühle, Körper- und Sinneswahrnehmungen bewusst zu sein, ohne diese zu bewerten oder verändern zu wollen. Der US-amerikanische Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn, Begründer des Programms MBSR (Mindfulness-Based-Stress Reduction) drückte es folgendermaßen aus: „Achtsamkeit beinhaltet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen.“
Die Achtsamkeitspraxis basiert auf einer alten buddhistischen Meditations-Praxis aus den Ost-Asiatischen Ländern. In den 1950/60er Jahren zog sie als meditative Technik in die Medizin und Psychologie des Westens ein. Jon Kabat-Zinn integrierte in den 1970er Jahren erstmals achtsamkeitsbasierte Techniken im klinischen Umfeld bei der Betreuung von Patienten im Krankenhaus und entwickelte ein 8-wöchiges MBSR-Programm als Verfahren zur Stressreduktion. Mittlerweile gibt es zahlreiche Untersuchungen, die die positive Wirkung von achtsamkeitsbasierten Techniken auf das individuelle Stresserleben nachweisen.
Heutzutage werden Achtsamkeitsübungen auch bei uns in Deutschland unterstützend bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen angewendet, wie beispielsweise bei Depressionen, Angststörungen oder chronischen Schmerzen. In vielen psychosomatischen Kliniken sind sie fester Bestandteil des Behandlungskonzepts.
Achtsamkeit beinhaltet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen.
Jon Kabat-Zinn
Warum ist Achtsamkeit so wichtig?
Stress und Erschöpfung nehmen in unserem Alltag gefühlt ständig zu: die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit, hohe Anforderungen im Beruf & zu Hause, ständige Erreichbarkeit, Veränderungen und Krisen, die uns belasten und mit denen wir umgehen müssen. Wir suchen nach einem Weg, wieder mehr Gleichgewicht, Gelassenheit und Leichtigkeit in unser Leben zurückzubringen.
Genau hier unterstützt uns die Achtsamkeitspraxis als Möglichkeit zur Stressbewältigung. Sie stärkt zum einen unsere mentalen Fähigkeiten und ermöglicht uns zum anderen, uns wieder mit unseren inneren Ressourcen, unseren Stärken und unserer Intuition zu verbinden.
Schon wenige Minuten pro Tag können einen erheblichen Einfluss auf unseren allgemeinen Gesundheitszustand und unser Stresserleben haben.

Was bringt mir die Achtsamkeitspraxis?
Höhere Konzentrationsfähigkeit
Achtsamkeit ist ein Zustand, im gegenwärtigen Moment präsent zu sein. Wenn wir achtsam sind, können wir uns ganz auf die gegenwärtigen Ereignisse, Handlungen oder Personen um uns herum konzentrieren. Das hilft uns dabei, uns weniger ablenken zu lassen und eine Aufgabe fokussiert zu Ende bringen. Wir sind produktiver und können letztendlich mehr erledigen. Single-Tasking statt Multi-Tasking!
Bessere körperliche und geistige Gesundheit
Die Achtsamkeitspraxis senkt nachweislich die Produktion des Hormons Cortisol, welches für die Regulierung des Stressniveaus verantwortlich ist (Studie veröffentlicht in The Telegraph). Ebenso helfen Achtsamkeitsübungen, unsere Emotionen zu stabilisieren (Artikel veröffentlicht in Science Direct). Dies führt dazu, dass Stress weniger negative Auswirkungen auf unsere körperliche Gesundheit (z.B. Bluthochdruck, höheres Herzinfarktrisiko) und unsere mentale Gesundheit (z.B. Ängste, negative Selbstgespräche oder depressive Beschwerden) hat.
Größere Resilienz
Da sich Achtsamkeit auf das Üben des Wahrnehmens und der Präsenz im gegenwärtigen Moment konzentriert, können wir Stress-Situationen ruhiger und objektiver angehen. Durch die bewusste und nicht wertende Erfahrung der Gegenwart gelingt es uns, die belastende Situation isoliert von unseren eigenen (oftmals negativen) Empfindungen zu betrachten und nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Vergangene oder zukünftige Schwierigkeiten werden weniger fokussiert. Die Achtsamkeitspraxis hilft uns also dabei, unsere persönliche Resilienz, unsere seelische Widerstandskraft, zu stärken.
Welche Rolle spielt Achtsamkeit in der Arbeitswelt?
Untersuchungen zeigen, dass sich Achtsamkeitsübungen insbesondere auf die psychische Gesundheit positiv auswirken. Vor allem das individuelle Stresserleben wird durch Achtsamkeitsübungen stark gesenkt. Aber auch in Bezug auf persönliches Wohlbefinden, Erholungsfähigkeit, Selbstregulation sowie Burnout-Risiko lassen sich positive Effekte nachweisen.
Es liegt also nahe, dass das Thema Achtsamkeit allmählich Einzug in die Arbeitswelt hält. Achtsamkeitstrainings als eine Form der Stressbewältigung sind mittlerweile immer öfters im Portfolio betrieblicher Gesundheitsprogramme zu finden, wie beispielsweise Yoga-Kurse, Meditation oder Qigong. Viele Unternehmen und Organisationen in Deutschland bieten bereits achtsamkeitsbasierte Weiterbildungen an.
Neben dem Präventionsgedanken hat die Achtsamkeitspraxis zudem auch positive Effekte auf Führungsstil und Zusammenarbeit:
Bessere Beziehungen am Arbeitsplatz
Gerade im Miteinander am Arbeitsplatz benötigen wir neben unserer fachlichen Kompetenz auch emotionale Intelligenz. Da Achtsamkeit ein hohes Maß an Selbstaufmerksamkeit erfordert, führt die Achtsamkeitspraxis zu größerer emotionaler Intelligenz (Studie von John Darwin aus dem Jahr 2015). Achtsamkeit hilft uns dabei, uns selbst und unsere Mitmenschen besser zu verstehen. Wir entwickeln ein höheres Maß an Empathie und sind besser in der Lage, auf die Menschen um uns herum einzugehen, mit ihnen in Beziehung zu treten und auf ihre Emotionen zu reagieren. Dies führt zu einer Verbesserung der Kommunikation und des Arbeitsklimas (eine vom NCBI National Center for Biotechnology Information veröffentlichte Studie). Die Achtsamkeitspraxis stärkt also unsere sozialen und kommunikativen Fähigkeiten, die für eine wertschätzende und erfolgreiche Firmenkultur unerlässlich sind.
Gesteigerte Kreativität
Regelmäßige Achtsamkeitsübungen können zu mehr Kreativität führen, sowohl zu Hause als auch am Arbeitsplatz. Wir finden einfach kreativere Lösungen für Herausforderungen und Probleme. Die Fähigkeit zu kreativer Problemlösung ist ein nachhaltiger Mehrwert besonders in Teams, um die Produktivität, Innovationen und den Ideenreichtum zu erhöhen (laut einem Artikel aus dem Harvard Business Review).
Besserer Umgang mit Veränderungen
Achtsamkeit hilft uns dabei, gelassener zu werden. Unsicherheiten oder Veränderungen können wir mit weniger Widerstand begegnen und sie als Teil der VUCA*-Welt annehmen. Es ist uns besser möglich, belastende (Arbeits-)Situationen zu akzeptieren (was nicht bedeutet, sie gutzuheißen) anstatt dagegen anzukämpfen. Wir können uns an Veränderungen also schneller anpassen und sind belastbarer.
*VUCA ist ein Kürzel aus den Anfangsbuchstaben der vier englischen Begriffe: Volatility (Volatilität = Flüchtigkeit), Uncertainty (Unsicherheit/Ungewissheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Heutzutage wird VUCA vor allem im Unternehmenskontext verwendet. Veränderungen wie z.B. die Digitalisierung haben großen Einfluss auf unsere Arbeitswelt, wir fühlen uns aufgrund der o.g. Faktoren evtl. unter Druck gesetzt.

So fängst du mit der Achtsamkeitspraxis an!
Achtsamkeitsbasierte Techniken, wie beispielsweise das von Jon Kabat-Zinn entwickelte MBSR-Programm, beinhalten drei wesentliche Übungen: Meditation, Körperübungen (z.B. aus dem Yoga) und den Body-Scan (eine Methode, um seine Körperempfindungen wahrzunehmen). Das alles sind wirksame Methoden aus der sogenannten formellen Achtsamkeitspraxis und sie benötigen etwas Zeit und Übung.
Es gibt aber auch noch die informellen Achtsamkeitsübungen. Informell im Alltag praktizieren bedeutet, mit allen Sinnen wach und präsent im Augenblick sein und sich während des Tages immer wieder an eine präsente innere Haltung zu erinnern.
Wähle dir dazu eine einfache alltägliche Tätigkeit aus, beispielsweise:
- Duschen – den Wasserstrahl und die Wärme auf der Haut spüren
- Zähne putzen – fast schon meditativ…
- Haare waschen – die angenehme Massage der Kopfhaut
- Brot schmieren – in aller Ruhe
- Schuhe anziehen – Schnürsenkel, Zehen, Fußsohlen spüren
- Geschirr spülen – auch schon meditativ…
Versuche, diese Tätigkeit eine Woche lang mit voller Bewusstheit auszuführen. Bleibe mit deiner ungeteilten Aufmerksamkeit bei der Sache. Du musst sie nicht unbedingt langsamer ausführen, es sei denn, es fördert das Bewusstsein. Und achte währenddessen auf Geduld und Ungeduld.
Bestimmt fallen dir noch weitere kleine Übungen ein, die du in deinen Alltag einbauen kannst.
Für den Arbeitsalltag möchte ich dir gerne folgende drei Handlungsimpulse mitgeben, die du sofort morgen umsetzen kannst:
1. Moment der Stille zu Beginn eines Meetings
Teambesprechungen erfordern eine hohe Konzentration auf die Themen und Teilnehmer des Meetings. Oft ist man gedanklich aber noch bei einer zu erledigenden Aufgabe, der letzten E-Mail oder einem anstehenden wichtigen Termin. Etabliere mit deinem Team einen bewussten Moment der Stille zu Beginn eines Meetings. Achtsames Ein- und Ausatmen, ganz bewusst kurz innehalten und die Gedanken loslassen. So können alle mit voller Aufmerksamkeit in das Meeting starten.
2. Wahrnehmungspause
Der ständige Austausch mit Kollegen oder Kunden führt oft dazu, dass der Kopf selten abschaltet. Suche nach Möglichkeiten einer kleinen Wahrnehmungspause. Nutze beispielsweise den Fußweg von einem Termin zum nächsten, um deine Körperbewegungen bewusst zu spüren (Muskulatur, Schritte, Tempo…). Bist du im Freien unterwegs, nimm deine Umgebung mit allen Sinnen wahr (Temperatur, Duft, Wind, Sonne…). Oder finde drei Dinge in deinem direkten Arbeitsumfeld, die deine Sinne erfreuen (ein schönes Bild, eine Pflanze, eine duftende Tasse Tee…). Das gezielte Wahrnehmen der eigenen Körperbewegungen sowie der Umgebung helfen dir dabei, wach und fokussiert zu sein.
3. Genussvolle Mittagspause
Konzentriere dich in deiner Mittagspause ganz und gar auf dein Mittagessen. Versuche, ganz bewusst langsam zu essen und zu kauen und die Mahlzeit mit allen Sinnen wahrzunehmen (Farben, Duft, Geschmack, Konsistenz…). Gerne das Besteck immer mal wieder beiseitelegen. Schweifen deine Gedanken ab zum nachfolgenden Termin, hole dich ganz bewusst wieder zurück zum achtsamen Moment des Essens.

So kann ich dich unterstützen!
- Du hast noch ein paar Fragen zur Achtsamkeit? Kontaktiere mich gerne für ein kostenloses Kennenlern-Gespräch!
- Du wünschst dir Entschleunigung im Arbeitsalltag und suchst nach Möglichkeiten für mehr Fokus, Kommunikation und Wissensaustausch im Team? Dann ist mein Workshop „Achtsamkeit am Arbeitsplatz“ genau das Richtige für dich und dein Team!
- Du willst tiefer in die Achtsamkeitspraxis eintauchen und deine seelische Widerstandskraft & Stress-Kompetenz steigern? Dann komm in meinen 8-Wochen-Kurs „Stressbewältigung durch Achtsamkeit“.
Genutzte Quellen:
- „How to Practice Mindfulness at Work (Guide to Better Focus)“ https://business.tutsplus.com/tutorials/mindfulness-at-work–cms-31913
- Gerlinde Albrecht & Sabine Fries, Achtsamkeit im Job, Verlag Herder, 2016
- Jon Kabat-Zinn, Im Alltag Ruhe finden, Knaur Verlag, 2019
- Johanna Rauls, Dr. Svea von Hehn, Achtsamkeit – und ihre Rolle in der Arbeitswelt 4.0, Artikel erschienen in der Zeitschrift wissensmanagement 2/2021
- Désireée Verhaert, Achtsamkeit in der Arbeitswelt, Artikel erschienen in der Zeitschrift für Betrieb und Personal, Stollfuß Medien
- Studie der Universität Witten/Herdecke, Artikel erschienen in der Zeitschrift wissensmanagement 2/2021